Alpenüberquerung

Das war unsere Alpenüberquerung 2022

Die Alpen und ihre (anti)faschistische Vergangenheit - auf den Spuren der jüdischen Flucht- & Migrationsroute von Sommer 1947

Vom 25.7. bis zum 2.8.2022 durften die Teilnehmer*innen der Antifaschistischen Alpenüberquerung historische Gedenkstätten besuchen und die historische Route der jüdischen Fluchtroute vom Sommer ´47 erkunden und dabei über Antisemitismus und die jüdische Nachkriegsgeschichte lernen.

Aber ganz von vorne: Worum ging es genau?

Bei der diesjährigen Seminarfahrt lag der Fokus auf einem wenig erzählten Teil der deutschen Nachkriegsgeschichte - jüdischen Leben und Selbstorganisation nach `45. In einem Zeitraum von 8 Tagen bekamen die 15 Teilnehmer*innen einen Einblick in die Lebensumstände der befreiten europäischen Jüd*innen nach Ende des 2 Weltkrieges. Anhand der jüdischen Geschichte bekämen die Teilnehmer*innen Einblicke in die Diskurse von Flucht und Vertreibung, über Kontinuität im Antisemitismus und Brüche der europäischen Nachkriegsgeschichte. Im Laufe der Seminarfahrt wurde gesammeltes aus der Workshopphase in den Bergen des Zillertals verfestigt. Durch die Unterstützung des Alpine Peace Crossing Vereins wurde anhand der historische Fluchtroute entlang gewandert und mit Inputs gespickt.

Was waren die Ergebnisse der Workshop Phase?

Erste Station war der Besuch der Gedenkstätte „Badehaus“ in Wolfratshausen bei München. Das „Badehaus“ war Teil des DP-Lager Föhrenwald. (Displaced Person beschreibt die Menschen, welche nach Ende des 2. WK auf dem europäischen Kontinent verstreut waren und ggf. nicht an ihren Wohnort zurückkehren konnten)

Das Lager, welches ursprünglich als Zwangsarbeiter*innenlager in der NS-Zeit fungierte, wurde nach Ende des Krieges zu einem jüdischen DP-Lager und bot den befreiten der KZ und den vertriebenen der anhaltenden Progrome in Osteuropa einen Ort der Sicherheit im Amerikanischen Sektor. Föhrenwald war Stätte der jiddischen Sprache, Theater und jüdischer Tradition. Auch wenn Föhrenwald ein Ort der Sicherheit für jüdischen Leben bot, fungierte es doch als Wartezimmer denn die meisten Bewohner*innen bereiteten sich auf die Ausreise in die USA oder Palästina vor. Nur Wenige planten ein Leben im Land der Täter*innen. Für viele Bewohner*innen bedeutet die Ausreise eine illegale Migration durch die die Hilfe der Bricha (jüd. Selbstorganisierte Fluchtorganisation), auch über die österreichischen Alpen, jene Route die in den folgenden Tagen entlang gewandert werden sollte.

Ergänzend zum thematischen Aufschlag der DP Lager und Besuch der Gedenkstätte wurde ein 3-teiliger Workshop von Thomas Leiberg durchgeführt. Im sommerlichen Garten des BDP Gästehaus wurden kritische Standpunkte und Fragen über den Komplex der DP-Lager erarbeitet. Des Weiteren sorgte der Themenblock der fiktiven und realen jüdischen Rache für anregende Diskussionen. Ergänzend zum jüdischen Leben nach dem Krieg wurde sich in die 2000 Jahre alte Kontinuität des Antisemitismus eingearbeitet und in den Kontext der Jahre 45-52 gestellt

Wie gestaltete sich die Wanderung im Zillertal?

Am 3. Tag der Reise wurde das Jurthen Camp nach Krimml im Salzburger Land/ Österreich verlegt. Im Zillertal lag der Startpunkt der historischen Migration vom Sommer `47. Nach einem heftigen Gewitter war es schlussendlich doch möglich, die Überquerung der Krimmler Tauern anzutreten. Vor den Teilnehmer*innen lag eine 2 Tägige Wanderung, die mit Unterstützung durch die Referenten Robert und Michael vom Alpine Peace Crossing Verein geleitet wurde. Es wurden Wasserfälle bestaunt und über grüne Almen gewandert. Gelegentlich sammelte sich die Gruppe für kleine Input-Runden an Erinnerungstafel des APC Vereins zusammen. Die Referenten ordneten die Migrations- und Fluchtbwegung in den historischen Kontext des österreichischen Faschismus ein. Besondere Bedeutung erhielt der 10km breite gemeinsame Grenzstreifen des amerikanischen und italiennischen Grenzstreifen. Hier lag die Ursache der historische Bewegung und unserer Wanderung. Getrieben vom anhaltenden Antisemitismus in (Ost)europa, Verfolgung und Trauma wird der 2600 Meter hohe italienisch-amerikanisch Grenzpass als Schlupfloch gewählt. Vorbei an britischer Kontrolle gelangen circa 7000-8000 Jüd*innen über den schmalen Grenzpass nach Südtirol in Italien, um sich von den italienischen Häfen nach Palästina einzuschiffen. Da England Palästina als koloniale Mandatsmacht verwaltete und die Einwanderung der DPs zu verhindern versuchte, musste die Flucht in den nächtlichen Stunden des Sommers ´47 durchgeführt werden.

Die Gruppe kehrt nach dem ersten Teil des Aufstiegs und theoretischen Input im Krimmler Tauernhaus ein. Gestärkt vom Yoghurt der hauseigenen Kühen (und veganer Alternativen), setzte die Gruppe früh am Morgen des folgenden Tag, ihre Wanderung entlang der historischen Route fort. Der Gipfel der Pfarrenscharte auf 2600 metern Höhe wurde mit wechselhaften Wetter erklommen. Alle Teilnehmer*innen haben es bis nach Südtirol geschafft. Ebenso wie alle Teilnehmer*innen der historischen Bewegung.

Im Arnthal wurde sich für eine Nacht ausgeruht und das erworbene Wissen sacken gelassen. Der inhaltliche Teil der der Reise war nun abgeschlossen und die Gruppe wurde zurück nach Österreich geshuttelt. Nach der intensiven Begehung der historischen Route wurde der letzte Tag mit Spaß beim Wild Water Rafting begangen. Am Dienstag Morgen baute die Gruppe ihre Jurthen ab und fuhr zurück nach Berlin.

Was bleibt nach der Reise?

Wie bei jeder BDP Fahrt hat sich die Gruppe selbst verpflegt und organisiert. Es bleiben Erinnerungen an gemeinsamen Kochen, an Gewitter mit Hagelfällen bis zum Knie und intensiven Begegnungen mit anderen Menschen.

Was Inhaltlich bleibt, ist ein Verständnis für internationale historischen Verflechtungen, Wissen über die Vertreibung der europäischen Jüd*innen aus Osteuropa und die Kontinuität von Antisemitismus und Faschismus im Nachkriegsdeutschland und Österreich. Was auch bleibt, ist Wissen über die Kraft von Selbstermächtigung und Selbstorganisation der jüdischen Fluchthilfe Bricha und wie wichtig es ist gewohnte Narrative, wie die der Opferperspektive aufzubrechen und durch kritische Frage und Diskussion einen anderen Blick auf normative Geschichtsschreibung zu erhalten.



Wir freuen uns auf kommende Reisen!

Bis dahin bleiben wir

#bunt #dreist #politisch